Sie sind hier:

Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?

"Von Mäusen und Menschen"

"Winter"

„Der Tartuffe oder Der Betrüger“

"Der jüngste Tag"

"Italienische Nacht"

Allgemein:

Startseite

Datenschutz

"Im Endeffekt - Alles Theater"

Redaktion/Leserbriefe

Bestellinfos

Archiv

Impressum

"Italienische Nacht"

Das zweite Stück „Italienische Nacht“ ist ein Volksstück in sieben Bildern.
Daniel spielte u.a. den Stadtrat Ammetsberger. Die erste Buchausgabe erschien 1930, das Stück wurde am 20.03.1931 im Theater am Schiffbauerdamm Berlin unter der Regie von Francesco von Mendelssohn mit großem Erfolg uraufgeführt. Am 04.06.1931 brachte Oskar Sima (der in der Uraufführung den Stadtrat gespielt hatte) eine entpolitisierte Fassung in Wien auf die Bühne. Danach wurde das „Kritische Volkstheater“-Stück erst 1967 wieder in Konstanz aufgeführt.



Die Geschichte spielt im Jahr 1930 in einer süddeutschen Kleinstadt. Zwei sich feindlich gesinnte politische Gruppierungen stehen im Mittelpunkt: zum einen die “Republikaner”, eine in sich zerstrittene Gruppe von Sozialdemokraten, Marxisten und anderen Linken; zum anderen sind es die Rechten, die Faschisten, die in den unruhigen Zeiten um 1930 großen Zulauf haben. In ihrem Stammlokal feiern der Stadtrat Alfons Ammetsberger und die „Republikaner” einen folkloristischen Abend: die „Italienische Nacht”. Den Linken gefällt das nicht, vor allem Martin nicht, der sich für ihren Anführer hält und den Klassenkampf will. Draußen vor dem Zaun des Wirtshausgartens marschieren die Faschisten und begehen ihren „deutschen Tag“ mit Musik, Bier und antisemitischen Parolen. Martin beauftragt seine Freundin Anna, mit einem Faschisten anzubandeln, um ihn auszuhorchen. Der Faschist geht Anna an die Wäsche, gibt aber nichts Brauchbares preis. Währenddessen streichen Genossen von Martin ein Majestätsdenkmal mit roter Farbe an. Das schreit nach Rache und die Faschisten bündeln ihre Kräfte. Stadtrat Ammetsberger, maßgeblicher Organisator der italienischen Nacht, ist ein Spießbürger durch und durch. Er hackt verbal auf seiner Frau Adele herum und agiert wie ein bürokratisch-kleinkarierter Vereinsvorsitzender, nicht wie ein engagierter Politiker. Während des Festes stören Martin und seine jungen Kameraden die Darbietungen der Laienkünstler mit Pfiffen. Es gibt Zoff, einen Disput um die Frage, ob die „Italienische Nacht“ unter diesen Umständen – während draußen die Faschisten marschieren - überhaupt stattfinden kann und ob gegen die Faschisten nun Gewalt oder eher Missachtung hilft? Schließlich werden Martin und seine Genossen vom Stadtrat vor die Tür gesetzt. Draußen gelingt es Martin und Genossen, den Angriff der erbosten Faschisten abzuwehren und zu zerschlagen. Daraufhin kommt der Stadtrat in Verkennung der realistischen Gefahr durch den Faschismus zum Fazit: „… von einer akuten Bedrohung der demokratischen Republik kann natürlich keineswegs gesprochen werden... Solange es einen republikanischen Schutzverband gibt und solange ich hier die Ehre habe, Vorsitzender der hiesigen Ortsgruppe zu sein, solange kann die Republik ruhig schlafen!"



Horvath schrieb die „Italienische Nacht“ vor einem konkreten politischen Hintergrund: 1930 rückten die Nationalsozialisten bei den Reichstagswahlen zur zweitstärksten Partei hinter den Sozialdemokraten auf. Bei den Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 wurde die NSDAP zur stärksten Partei gewählt und Adolf Hitler Reichskanzler.

(weitere Informationen zu diesem Artikel sind hier zu finden: http://gutenberg.spiegel.de/autor/odon-von-horvath-290)


Texte: Evelyne Dörning

(c)
Collagen: Evelyne Dörning
Fotos aus dem Buch "Ödön von Horvath - Geschichten aus dem Wiener Wald und andere Volksstücke/Büchergilde/1984: Evelyne Dörning
Vorlagen und Fotos: Daniel Kaiser-Küblböck, ETI Berlin/Danylo Zaczkiewicz, ETI Berlin, Pixabay, Sabine Steinert, Edvard Munch, Honoré Daumier

Literatur zum Thema "Rollenspiel":
Schauspielen heute: Die Bildung des Menschen in den performativen Künsten
herausgegeben von Jens Roselt, Christel Weiler, transcript; Auflage: 1 (1. April 2011)
Interview Ethan Hawke: „Für die Kunst ziehe ich in den Krieg“ von Ulrich Lössl, Frankfurter Rundschau 25.05.2017
Schauspielen Theorie von Bernd Stegemann, Verlag: Theater der Zeit; Auflage: 1 (2. Dezember 2010)
Erwing Goffman: Wir alle spielen Theater