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Weihnachtliche
Geschichten
(Yak-Baby) - 5. Forts.
(geschrieben
von Corinna)
In
den folgenden Stunden tuckerte der Bus endlos dahin.
Das Plateau stieg langsam an, und Stunde um Stunde
fuhren sie geradeaus, stetig an Höhe gewinnend
und das Ohrensausen und die Orientierungslosigkeit
ignorierend, die sie zunehmend überfielen.
Irgendwann verteilte Jitman mit Gebeten bedruckte
Papierschnipsel und Katas, weiße Seidenschals,
die Eliza auch schon in Nepal an den Buddhastatuen
und Mani-Mauern gesehen hatte. Er erklärte ihnen,
dass die Tibeter bei einer Passüberquerung den
Göttern dankten, indem sie sie dort aus Steinen
errichteten mit Katas und Gebetsfahnen schmückten.
Die Gebete auf den Papierschnipseln würden vom
Wind davongetragen und gen Himmel steigen wie beim
Drehen einer Gebetsmühle, eine Vorstellung, die
Eliza gut gefiel.
Am späten Nachmittag erreichten sie ihr Ziel.
Jegliche Vegetation hinter sich lassend, arbeitete
sich der Bus zum höchsten Punkt seiner Reise
vor und schon von weitem konnte man auf der Anhöhe,
der sie sich näherten, Steinhaufen und flatternde
Wimpel erkennen. Schließlich hielt der Bus mit
einem vernehmlichen Ächzen an und außer
dem Heulen des Windes war kein Laut mehr zu vernehmen.
Die steifgesessenen Fahrgäste erhoben sich benommen
und kletterten nach draußen.
Es
war eine unwirtliche Welt, die sie erwartete, eine
Welt in grau und braun und blau auf der einen Seite,
auf der anderen das schneeweiße Eis der Himalaya-Gipfel
und Gletscher, die sie ab jetzt hinter sich lassen
würden. Von einem Tschörten zum andern waren
dünne Seile gespannt mit Gebetsfahnen, die im
eisigen Wind laut knatterten. Jeder befestigte seine
Kata an diesen Steinhaufen und schickte Gebete zum
Himmel, die vermutlich sehr unterschiedlich ausfielen,
doch viel näher konnte man dem Himmel nicht kommen
....
Die tibetischen Familien umrundeten die heiligen Stätten
im Uhrzeigersinn und murmelten Gebete, als ein lautes
Pfeifen und das Klingeln unzähliger Glöckchen
den Wind übertönte. Eine kleine Herde Yaks
kam schnell näher, angeführt von einem dünnen
und begeistert winkenden Hirten, der mit Pfeifen auf
sich aufmerksam zu machen suchte. Das Klingeln rührte
von den Glocken, die jeder Yak um den Hals trug. Diese
und bunte Bänder an den Hörnern kennzeichneten
die Yaks, die nur in Höhen ab 3000 m leben konnten
und sich in dieser Umgebung pudelwohl fühlten.
Eliza konnte sich vorstellen, dass der einsame Yakhüter
hier oben nicht eben unter Reizüberflutung litt,
und sich die Gelegenheit auf ein munteres Schwätzchen
nicht entgehen lassen wollte. Als Mensch und Tier
bei ihnen angekommen waren, entpuppte er sich als
junger drahtiger Bursche in schmutzigen Fellen, der
über das Treffen mit den Reisenden in höchstem
Maß entzückt war. Jitman und die Tibeter
unterhielten sich angeregt mit ihm und beantworteten
offenbar eine Menge Fragen; was verständlich
war, wenn man so völlig ohne Verbindung zur Außenwelt
lebte wie er. Eliza sah, dass der Hirte einen kleinen
Yak im Schlepptau hatte, der nicht von seiner Seite
wich, und den er von Zeit zu Zeit liebevoll zwischen
den aufmerksam gespitzten Ohren kraulte. Offenbar
hatte das Yak-Baby keine Mutter mehr und der Hirte
hatte es adoptiert und zog es mit Yakmilch aus der
Flasche groß, die am Hals des Kälbchens
befestigt war.
(Forts. folgt
HIER)
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