Weihnachtliche Geschichten


(Yak-Baby) - 3. Forts.
(geschrieben von Corinna)

Den Abend verbrachten sie in einer zugigen Holzhütte, einer Art vorsintflutlichem Gastraum mit einem Uraltradio, das verzerrte Töne chinesischer zeitgenössischer Musik ausspuckte. Um sie herum saßen hauptsächlich Tibeter, erkennbar an der Sprache und den staubigen Fell- und Ledertrachten, die sie wie mittelalterliche Abenteurer aussehen ließen.
Wie Eliza löffelten sie die im asiatischem Raum verbreitete Instant-Nudelsuppe. Auf den Tischen standen riesige und farbenprächtige Thermosflaschen, einer der wenigen sinnvollen Importartikel der chinesischen Besatzer, und die Gäste gossen daraus unablässig heißes Wasser in ihre schmutzigen Teetassen.
Elizas Reisegruppe sprach wenig, alle waren erschöpft von dem heutigen hektischen Gewaltmarsch, und von der Faszination Tibets war bislang noch nichts zu spüren. Nach dem Essen starrten sie mehr oder weniger benommen vor sich hin, und der Wirt, der selten ausländische Gäste beherbergte, da diese meist in die chinesischen Betonherbergen geschleust wurden, kredenzte ihnen freundlich kichernd einen Dreiblumenschnaps in nebligen Teegläsern. Alle kippten ihn mit Todesverachtung hinunter und Elizas Freundin sah anschließend sehr müde aus. Unmerklich sank sie immer mehr zur Seite, bis ihr Kopf auf Elizas Schulter landete, und sie schlief endgültig ein. Eliza legte den Arm fest um sie und überließ sich einem diffusen Wohlgefühl - ausgerechnet hier und jetzt, mitten in der Nacht in einem gottverlassenen Nest am Ende der Welt, hatte sie das merkwürdige Gefühl, nach hause gekommen zu sein.

Am nächsten Morgen, nach einer Nacht auf Brettern, deren bandscheiben-unfreundliche Härte nur durch eine dünne Auflage gemildert wurde, frühstückten sie kalten harten Toast und lauschten den Ausführungen Jitmans zum Fortgang ihrer Reise. Eliza hatte noch das Heulen des Windes im Ohr, der die ganze Nacht nicht nachgelassen hatte, als sie schlaflos die regelmäßigen Atemzügen neben sich bewachte.
Jitman hatte am Morgen Plätze in einem der in unregelmäßigen Abständen fahrenden Busse gebucht, die die 1000 km lange Strecke zwischen der nepalesischen Grenze und Lhasa bedienten. Dabei handelte es sich nicht um Touristenbusse, sondern um das einzige Fortbewegungsmittel der Tibeter, wenn sie nicht zu Fuß die riesigen Entfernungen zu Verwandten oder Klöstern überwinden wollten oder konnten.
Diese in anderen Ländern ausgemusterten Gefährte wurden kaum gewartet und befanden sich in entsprechendem Zustand - wenn so ein Bus kaputt ging, dann war er eben kaputt, und die Reisenden mussten zu Fuß weiterkommen auf dem unwirtlichen tibetischen Hochplateau. Bisweilen versagten auch die Bremsen und der Bus landete bei der Überwindung der hohen Passstraßen einige hundert Meter weiter unten im Abgrund; derlei optimistisch stimmende Wracks sollte die Reisegruppe in den nächsten Tagen des öfteren zu sehen bekommen.

Gegen 10 Uhr morgens bestiegen sie das klapprige Gefährt, dem einige Fenster fehlten und dessen Auspuff seltsamfarbige Gase ausstieß. Es würde sie nach Lhasa bringen, und mit einem unternehmungslustigen Hupen setzten sie sich in Bewegung.
Die nächsten Stunden und Tage versanken in einem eigenartigen Nebel. Zunächst galt es, die grüne Wand zum tibetischen Hochplateau zu erklimmen, und in endlosen Serpentinen quälte sich der Bus, vor den Kehren unablässig hupend, nach oben. Sie machten Halt in Nyalam, einem winzigen Nest am Rande des Steilabbruchs hinunter zum indischen Subkontinent, und als sie dort standen, im eisigen Wind die unvermeidlichen Milchteetassen fest umklammernd, musterte Eliza zum erstenmal neugierig ihre tibetischen Mitreisenden. Es handelte sich wohl durchweg um Familien oder Teile von Familien, die sich auf dem Weg zu ihren Verwandten befanden. Angetan mit dichten Fellen und Kleidungsstücken aus Leder, mit vom rauen Klima gegerbten schmutzigen Händen und Gesichtern, die teilweise fast schwarz wirkten, boten sie ein exotisches Bild. Alle jedoch wirkten ausgesprochen fröhlich, unbeschwert und vor allem neugierig, und der tibetischstämmige Jitman musste sehr bald als Übersetzer herhalten. Sie wollten wissen, wohin und warum Eliza und die andern unterwegs waren, und bewunderten vorbehaltlos Elizas ebenmäßige Gesichtszüge und die blonden Schafslocken ihrer Freundin, dergleichen hatten sie noch nie gesehen. Besonders die Kids, die zwischen 5 und 10 Jahren alt sein mochten, betasteten vorsichtig Haut, Haare und Kleidung der weiblichen Mitglieder der Reisegruppe und kicherten ungläubig und fasziniert ob dieser Erscheinungen.

(Forts.
folgt HIER)

 

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