Weihnachtliche
Geschichten
(Yak-Baby)- 1. Forts.
(geschrieben
von Corinna)
Wie in den Tropen brach die Dunkelheit schnell
herein und sie fanden Quartier in einem kleinen, sauberen
Hotel mit fantastischem Blick auf die Himalayakette.
Ein Paar aus der Schweiz war, wie so viele, in Nepal
hängengeblieben und hatte sich eine friedliche
Oase geschaffen, die ihren Lebensunterhalt sicherte
und Raum für Meditation und Muße ließ.
Die hellen Räume durchzog der Duft unzähliger
Kräuterlampen, Statuen sitzender Buddhas befanden
sich allerorten, und Eliza fühlte sich seltsam
heimisch, obwohl der Kontrast zu ihrer Welt in L.
A. nicht größer sein konnte.
Vergeblich versuchte sie Bilder abzurufen von ho-ho-enden
Santa Clauses am Santa MonicaBoulevard, Rentierfiguren
mit blinkenden Glühnasen in den Auslagen, Neonschlangen
und Chris Rea in jedem Lautsprecher. Sie liebte ihre
dekadente Welt, war in ihr aufgewachsen und mochte
sie nicht missen, doch die sinnliche Ruhe dieser Vollmondnacht
raubte ihr jetzt den Atem. Letztendlich geschah nichts,
doch es lag eine gespannte Erwartung in der Luft,
die Eliza lange nicht einschlafen ließ. Schließlich
stand sie auf und stellte sich ans Fenster, sah auf
die im Mondlicht schimmernden Hügel mit unzähligen
Rhododendronsträuchern, die im Frühling
in den prächtigsten Farben erblühen würden.
Am Morgen sammelte sich die kleine Reisegruppe in
dem freundlichen Frühstückszimmer und Jitman,
ihr Führer und Begleiter, erläuterte ihnen,
was für heute geplant war. Sie würden noch
ein paar Minuten bis nach Kodari fahren, dem Grenzort
auf der nepalesischen Seite. Zwischen Kodari und Zhang
Mu in Tibet lagen die sogenannte Freundschaftsbrücke
und ein ständig von Erdrutschen heimgesuchtes
Straßenstück, das nicht befahrbar war und
zu Fuß bewältigt werden musste. Und zwar
möglichst zügig, da aufgrund der Sprengungen
der Chinesen und starker Regenfälle am Vortag
jederzeit weitere Erdrutsche stattfinden konnten.
Eliza zuckte gleichmütig mit den Schultern. Sie
hatte nach Tibet gewollt und nun war sie unterwegs.
Nach der Ankunft in Kodari überließen sie
ihr Gepäck den schon wartenden Trägern,
die sich über ein gutes Geschäft noch so
spät im Jahr freuten, und erwartungsvoll richteten
alle den Blick nach oben.
Vor ihnen lag eine grüne Wand, eigentlich ein
üppig bewachsener Steilhang, auf dem die Serpentinen
des Arniko-Highway erkennbar waren. Ihnen folgend
überwand man in kürzester Zeit auf schwindelerregende
Weise mehr als 2000 Höhenmeter und gelangte so
auf das tibetische Hochplateau, aufgrund der politischen
Lage derzeit eines der unzugänglichsten und geheimnisumwittertsten
Gebiete der Erde. Der erst kürzlich wiederhergestellte
Weg folgte einer uralten Handelsroute, die schon vor
vielen Jahrhunderten Indien und Nepal über Lhasa
in Tibet mit China verbunden hatte.
Eliza stellte sich die Maultierkarawanen in alter
Zeit vor, die trotz des unwirtlichen Klimas allen
Gefahren trotzten und unbeirrbar Hunderte von Kilometern
ihrer Wege zogen, bis sie schließlich in China
auf die legendäre Seidenstraße stießen,
die Kaufleute und Handelsreisende des gleichen Kalibers,
voller Geldgier und Abenteuerlust, bevölkerten.
Sie schauderte fasziniert - solch ein Unternehmen
wäre ganz nach ihrem Geschmack gewesen. Nun,
für sie gab es jetzt eben die moderne Variante
dieser Reise, und abenteuerlich schien diese auch
zu werden.
(Forts. folgt
HIER)
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