Weihnachtliche
Geschichten
(Die
S-Bahn nach Starnberg)
- Forts.
Jetzt
ist Daniel erstmal verblüfft: Entschuldige,
so habe ich das nicht gemeint! Ich habe nur gesehen,
wie unglücklich Du bist, und da wollte ich
Das
Mädchen schüttelt unwillig den Kopf: Nein,
mir kann niemand helfen. Lieb von Ihnen, aber ich
bin froh, wenn ich gleich in meine Pension zurückkomme
und endlich schlafen kann. München ist ein unheimliches
Pflaster.
Daniel
liebt München, auf die bayerische Landeshauptstadt
möchte er ungern etwas kommen lassen. Was
ist denn so schlimm an München? Hat Dir jemand
hier etwas angetan?
Er
kramt in der Tasche seiner bunt gemusterten Jacke
und fördert tatsächlich etwas Taschentuchähnliches
hervor, womit er dem Mädchen vorsichtig die Tränen
abtupft. Diese zärtliche Geste scheint sie etwas
zu trösten, und sie wird ein bisschen zugänglicher.
Danke. Sie schnieft noch einmal hörbar.
Ach, es ist eine blöde Geschichte. Ich
bin hier nach München gekommen, um meinen Vater
wieder zu finden. Weißt Du, ich komme aus dem
Kosovo, in meinem Land war lange Krieg, und irgendwann
hat meine Familie beschlossen, nach Deutschland zu
fliehen. Wir waren wochenlang unterwegs, erst zu Fuß,
dann mit dem Schiff, und dann wieder zu Fuß,
über eine geheime Grenze. Das war vor über
10 Jahren, und auf der Flucht sind wir von meinem
Vater getrennt worden. Meine Mutter, mein kleiner
Bruder und ich sind dann sicher in Deutschland angekommen,
aber wir konnten nie erfahren, was aus meinem Vater
geworden ist. Er war im Untergrund tätig, und
wahrscheinlich musste er eine falsche Identität
annehmen, falls er es überhaupt bis nach Deutschland
geschafft hat.
Immer
wieder haben meine Mutter und ich versucht, ihn ausfindig
zu machen, aber jedes Mal war die Spur falsch. Vor
ein paar Wochen haben wir über einen entfernten
Bekannten erfahren, dass mein Vater jetzt in München
leben soll, also bin ich hierher gefahren, um diese
Info zu überprüfen. Gerade komme ich von
dem Treffen er war es wieder nicht. Und auch
wenn ich noch bis übermorgen hier bleibe und
mich morgen noch einmal bei der hiesigen Gemeinde
erkundigen will - ich muss mich wohl langsam damit
abfinden, dass ich meinen Vater nie wieder sehen werde
.
Damit bricht sie wieder in leises Schluchzen aus.
Daniel
ist verwirrt und betroffen. Die Euphorie, die er noch
vor wenigen Minuten verspürte, ist völlig
verflogen. Was für ein Schicksal! Das junge Ding
da tut ihm unendlich leid. Aber was kann er für
sie tun?
Wenn
Du erlaubst, bring ich dich in Deine Pension. Wir
müssten ja gleich in der Innenstadt sein
Sie
blickt überrascht auf. Innenstadt? Aber
diese Bahn fährt doch nach Starnberg!
STARNBERG?
Daniel springt entsetzt auf. Oh Scheisse! Dann
sitze ich ja schon die ganze Zeit in der völlig
falschen Richtung! So ein Mist!
Sie
lächelt ihn an. Schade, ich hätte
die Begleitung gerne angenommen
.
Daniel
fängt sich schnell wieder. Nun, dann soll
es wohl so sein, grinst er und lässt sich
auf den Sitz neben dem Mädchen fallen. Dann
fahren wir jetzt also nach Starnberg
(Forts. HIER)
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