Weihnachtliche
Geschichten
Die S-Bahn nach Starnberg
(geschrieben
von Cora)
München,
wir schreiben den 17. Dezember 2004. Daniel hat sein
Bestes gegeben auf seinem ersten, offiziellen Unplugged-Konzert,
und der begeisterte Applaus seines verzückten
Publikums lässt ihn seine Müdigkeit fast
vergessen. Aufgeputscht fühlt er sich, voller
Energien, immer noch im Rausch der innigen Verbindung,
die er zwischen sich und seinen begeisterten Fans
aufgebaut hat. Herrlich, so ein Abend! Nichts auf
der Welt gibt ihm soviel Kraft, wie ein erfolgreiches
Konzert und dieses heute in der Reithalle war
wirklich etwas ganz Besonderes.
Nachdenklich
macht sich Daniel auf den Weg in die Münchener
Innenstadt, wo er mit seiner Crew, der Band und ein
paar ausgewählten Gästen noch ein wenig
feiern möchte. Die anderen sind schon vorgefahren,
sie wissen, dass Daniel nach seinen Konzerten gern
ein wenig Ruhe für sich selbst braucht. Sich
selbst wieder finden nennt er diese Zeit, in
der er meditiert, nachdenkt, ein paar Schritte geht
oder einfach seine Lieblingssongs vor sich hin trällert.
Oft fragt er sich dann, ob dies der Sinn und Zweck
seines Lebens sein soll: den Leuten Freude zu bringen
durch seine Musik, ihnen ein paar unbeschwerte Stunden
zu schenken
aber kann das alles sein im Leben?
Oder gibt es noch einen höheren Plan für
ihn, von dem er noch gar keine Ahnung hat? Dermaßen
in Gedanken versunken, tritt er aus dem Hintereingang
der Halle, und einem unbestimmten Impuls folgend,
beschließt er, den Wagen heute einfach stehen
zu lassen, und die paar Meter bis zur S-Bahn durch
die tief verschneiten Straßen zu laufen. Ein
bisschen verwundert ihn der Impuls, aber Daniel hört
auf sein Bauchgefühl, ohne weitere Fragen zu
stellen.
Gerade,
als er die langen Rolltreppen zu den Gleisen herunterfährt,
rumpelt zischend eine S-Bahn durch den Schacht. Ob
dies schon die richtige Bahn ist? Gott sei dank, da
steht ein Bahnwärter, und hektisch rennt Daniel
auf ihn zu.
Tschuldigung,
ist dies die Bahn in die Innenstadt?, keucht
er.
Der
Wärter schaut ihn mit großen Augen an.
Ein Fan scheint er nicht zu sein jedenfalls
gibt er mit keiner Geste zu erkennen, dass er den
jungen Küblböck schon einmal gesehen hat.
Er hört ein wenig in sich hinein, doch bevor
Daniel ungeduldig werden kann, lächelt er.
Ja,
die fährt in die Innenstadt.
Danke!
kann Daniel noch ächzen, und dann gelingt es
ihm, in einen der Waggons zu springen, just bevor
sich die dicken Stahltüren wieder schließen.
Der
Wärter grinst wieder in sich hinein. Die Bahn
rumpelt davon. Als nur noch ihre Schlusslichter zu
erkennen sind, wird auch das Schild mit ihrem Fahrziel
sichtbar: Starnberg
Daniel
lässt sich auf einen der leeren Sitze fallen.
Das ist ja gerade noch einmal gut gegangen! Jetzt
müssen die anderen nicht mehr lange auf ihn warten.
Gerade, als er es sich auf dem Sitz so richtig bequem
machen will, vernimmt er ein zaghaftes Schluchzen,
und sein Blick fällt auf ein weinendes junges
Mädchen direkt vor ihm.
Daniel
zögert nicht lange, wieder lenkt ihn sein Bauch,
und er spricht das Mädchen an: Wie kann
man so kurz vor Weihnachten nur so traurig sein?
Das
Mädchen blickt aus nassen Augen zu ihm auf: Was
interessiert Sie das? Und überhaupt, was soll
der ganze Schmus um Weihnachten? Meinen Sie, bloß
weil sich das Jahr dem Ende zuneigt, müsste überall
nur eitel Sonnenschein herrschen?
(Forts.
HIER)
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