Weihnachtliche Geschichten


(Ein 2. Advent) - Forts.

Nach schwarzem Toast, eingerissenem nassen Kaffeefilter, zerbrochener Lieblingstasse, Chefbeschwerde auf dem Anrufbeantworter und von Katzenkrallen zerfetzem Stuhlpolster wäre Herbert normalerweise wieder ins Bett gegangen. Hätte es nicht auch noch an der Tür geklingelt. Ignorieren war zwecklos, denn Großtante Hilde hatte bereits freudig ein "Huhu" mit den Lippen geformt als sie ihn durchs Küchenfenster erspähte.
Das liebe Tantchen und der werte Onkel Egon. Ein wahrer Alptraum des Sonntags
Hildes Parfüm-Duftwolke narkotisierte ihn, während der Onkel schon selbstzufrieden das Sofa ansteuerte. Dort würde er bis abends sitzenbleiben und eine gute Verpflegung erwarten. Der Tag würde mit Krankheitsgesprächen, Kriegsjugenderinnerungen, derben Witzen und Politikerschelte gefüllt werden.
Die Tante bemängelte, dass er ja gar keinen Adventskranz habe und wickelte, als hätte sie es geahnt, ein Alptraumgesteck im 80er Jahre - Styling aus. Die riesige Schleife aus lochgestanzter Folie schillerte in allen ölpfützigen Regenbogenfarben und kokelte im Laufe des Tages an, was einen fiesen Geruch im Zimmer hinterließ. Die Flamme flackerte und würde bis zum Abend viel Ruß in die Luft gepustet haben.
Nachdem Herbert seine neue Frisur erklärt hatte, versuchte er, Tiefkühlkuchen in der Mikrowelle zu erwärmen. Das war so erfolgreich wie später der Versuch, gestifteltes Kohlrabigemüse aus dem Gefrierschrank im Backofen zu bräunen. Herbert hätte aber schwören können, dass er Pommes statt Kohlrabi aus dem Fach genommen hatte.

Als er auf dem Seidentuch ausglitt, dass die Fremdkatze aufs Parkett geschleppt hatte, wäre er am liebsten einfach liegen geblieben. "Wenn du hinfällst, dann steh wieder auf !" Der Satz kam ihm in den Sinn.

Als seine paradespießigen Verwandten dann später zum Doppelmonolog über den Kübböck ansetzen, ahnte er ihre Sprüche schon bis ins Detail: Nach "quietsch", "quak" und "Kermit", "kann nicht singen", "bi..na du weißt schon", "Jugend von heute", "schnell wieder in der Versenkung" fehlte Herbert nur noch der anerkennende Schulterklopfer seines Onkels zum persönlichen Glück. Der hatte seinen Daniel-Artikel gelesen und fand ihn hervorragend: Ein Artikel der eben Klartext redet. Eines Ätzberg-Abkömmlings absolut würdig. Der Apfel fiele nicht weit vom Stamm und schon Herberts Vater hatte ja in der Jugend Artikel für "Land und Garten", "Flur und Furche" und den örtlichen Reisetaubenzüchterverein geschrieben.
Herbert strebte die Leserzielgruppe, der sein Onkel und seine Tante angehörten, natürlich nicht an. Das brachte ihn ins Grübeln. Aber erst später, als er wieder allein war und ihm auch noch das "Handbuch für guten Journalismus" vom Regal auf den Kopf gefallen war, dachte er ausgiebig darüber nach, welche Qualität seine Artikel hatten. War er ein guter Journalist ? War er überhaupt einer ?

Tildas Mutter wunderte sich zwei Wochen später am Abendbrottisch über Herbie "Opaversteher" Ätzbergs recht objektiv geschriebenen Danielartikel.
Und Tilda wunderte sich darüber, wie wunderbar zuverlässig der Weihnachtsmann doch war.
Sogar sein Überraschungsgeschenk für sie war genial gewesen. Und in rosa Papier verpackt, wie gewünscht.
Der liebe Weihnachtsmann. Und die Engelchen. Und die Rentiere.
Und die Wichtel natürlich auch.



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