Weihnachtliche Geschichten


Wenn Engel reisen
(geschrieben von Paisuma)

„Achtung an alle Passagiere des Fluges 7011 nach München. Der Abflug verzögert sich aufgrund schlechter Witterung nochmals auf unbestimmte Zeit. Wir bitten Sie, den Sicherheitsbereich nicht zu verlassen und sich am Gate bereitzuhalten.“

Ich holte mir noch einen kostenlosen Prosecco. In der Business Lounge konnte man sich wenigstens für lau betrinken. Ehrlich gesagt hatte nach der Umbuchung schon ganz genau gewusst, dass der Heimflug schief gehen würde. Als der spätere Flug dann das erste Mal verschoben worden war, hatte ich schon dieses flaue Gefühl im Magen gehabt, dass das nur der Anfang war, und dass der Abflug nicht wirklich kommen würde. Weibliche Intuition, Murphy´s Law oder die unweigerliche Bestätigung des Pessimisten durch die Realität, auf jeden Fall saß ich am Heiligabend in Düsseldorf in der Business Lounge fest. Auf unbestimmte Zeit.

Ich setzte mich zu einer jungen Frau an den Tisch, die, halb abgewandt, unablässig mit heftig wippendem Pferdeschwänzchen auf Ihr Handy einredete. Der bemitleidenswerte Gesprächspartner bekam, soweit ich das hören konnte, sämtliche Unzulänglichkeiten der Fluggesellschaft, des Flughafens und des Wetters im wütenden Stakkato eingetrichtert. Der rötliche Pepitamantel der Frau war der einzige Farbtupfer unter den ganzen Geschäftsleuten. In der Business Lounge fand man fast lauter Männer, einheitlich in anthrazitfarbenen Anzügen oder Nadelstreifen gekleidet, die den Geruch von Rasierwasser, schlechtem Lufthansa-Kaffee und vorzeitigem Herzinfarkt ausströmten. Nur wenige Frauen waren darunter, alle in schwarz und mit den blonden Pferdeschwänzen, die für eine gewisse Gehaltsklasse wohl Voraussetzung waren. Die Aktenköfferchen-Dichte war beängstigend, Handys klingelten so munter wie in einem italienischen Speisewagen und auf jedem zweiten Tisch blinkte ein Laptop mit beängstigend nach Arbeit aussehenden Bildschirmen. Ich revidierte alle meine Vorstellungen, wie die Hölle wohl aussah. Es war vergeblich, mir einzureden, dass ich an einem grauen Kunststofftischchen mit billigem Sekt, der Brigitte Kultur und einer schlechtgelaunten Fremden eine gute Zeit verbringen konnte und ich versank in Selbstmitleid.

Der Pepitamantel knallte das Handy wuchtig auf den Tisch und rief „Scheiße!“, so laut, dass sich einige umdrehten und mir blieb der Mund offen stehen. Das war keine Frau. Das war ein junger Mann. Ich hatte mich ausgerechnet zu Daniel Küblböck an den Tisch gesetzt, von allen Tischen im ganzen Düsseldorfer Flughafen. Das war genau das, was zu meinem Unglück noch fehlte, dass ich mit dieser Nervensäge konfrontiert wurde. Nicht schon schlimm genug, dass er mir auf allen Fernsehkanälen entgegenflimmerte, und meine Große sich auch noch ein Poster aufgehängt hatte, jetzt durfte ich auch noch aller Voraussicht nach auch noch den Heiligabend mit ihm verbringen. Irgendetwas musste ich in diesem Jahr verbrochen haben, dass mich Gott so strafte. Nun, wenigstens hatte ich meiner Tochter etwas zu erzählen, wenn ich nach Hause kam. Mein Tischnachbar griff sich das geschundene Handy wieder, und begann, dem nächsten bedauernswerten Opfer zu schildern, in welcher fürchterlichen Lage er sich befand. Dann flog das Handy wieder mit Kraftausdrücken auf den Tisch und mir ging der Hut hoch. Ich war schon schlecht genug gelaunt, ich brauchte niemanden, der mir auch noch ständig unter die Nase rieb, in welcher Klemme wir saßen. „Jetzt reißen Sie sich mal zusammen“ Wir wollen alle nach Hause, und Ihr ständiges Gemecker macht es auch nicht besser!“ In dem Moment, als ich die Worte ausstieß, taten sie mir schon wieder leid, denn ich erntete für meinen Frontalangriff einen derart entsetzten Blick, dass ich die Worte am liebsten zurückgerufen hätte.

(Forts.
HIER)

 

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